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8 Gründe, warum positive Psychologie in der Pandemiezeit helfen kann. Grund #8: Verzeihen

Aktualisiert: 9. Juni 2020

Viele würden sagen, es ist manchmal unmöglich. Einigen gelingt es einfacher als anderen.

Eines ist aber sicher: Wenn man es kann, so ist der Effekt mächtig und heilend.

Als letzter der acht Gründe, warum die positive Psychologie in der Pandemiezeit helfen kann, habe ich bewusst Verzeihen gewählt. Ich selber habe mich als Wissenschaftlerin und auch privat mehrere Jahre mit diesem Konzept auseinandergesetzt und finde es nach wie vor faszinierend. Doch gleichzeitig habe ich enormen Respekt davor.

Das notwendige Übel

Damit wir überhaupt etwas verzeihen, muss zuerst eine Person (oder mehreren Personen) eine Übeltat begehen. Diese Übeltat kann mehr oder weniger schlimm sein, wenige oder viele Konsequenzen haben, wenig oder tiefst schmerzhaft sein. Dabei geht es vor allem um die subjektive Wahrnehmung der Tat (wie fühle ich mich als Opfer?) und nicht so stark um die objektive Bewertung (was ist geschehen?).

So sind alle einverstanden, dass Vergewaltigung, Missbrauch, bis hin zu Körperverletzung und Mord sehr schlimme Taten sind, bei denen Verzeihen intuitiv sehr schwierig sein kann. Doch auch objektiv weniger schlimme Taten wie Beleidigungen, Sachschaden bis hin zu einem verantwortungslosen Verhalten des Täters ohne direkte Konsequenzen kann belastend und nicht so einfach zu verzeihen sein.


Hast Du beispielsweise in den letzten Wochen auch Aussagen gehört wie:

«All diese naiven Menschen in den Parks, im ÖV oder am Abend in der Stadt, die keine Distanz mehr einhalten und keine Masken tragen: Dieses Verhalten ist unverzeihlich!».


Hier merkst Du, dass es nicht mal nötig ist, den Täter persönlich zu kennen. Es reicht, wenn dieser Täter etwas macht, das uns auf irgendeine Art und Weise betrifft und kränkt, um sich Gedanken über das Verzeihen zu machen.

Doch warum ist Verzeihen manchmal so schwierig, auch wenn es um objektiv nicht so schlimme Taten geht, und was heisst es überhaupt, zu verzeihen?


Eine kurze Definition

Der Begriff Verzeihen umfasst viele Facetten und es wurden bereits ganze Bücher darüber geschrieben. Daher möchte ich Dir hier eine kurze und übersichtliche Definition von Verzeihen geben und versuchen, Dir die wichtigsten Eigenschaften aufzuzeigen.

Verzeihen Ist ein inter- und intrapersonaler Prozess. Das heisst, ich kann jemandem verzeihen, oder aber auch mir selbst (meistens ist letzteres sogar noch ein wenig schwieriger).

In diesem Beitrag fokussieren wir uns auf den interpersonalen Prozess, d.h. wenn Täter und Opfer nicht dieselbe Person sind.

Der Prozess des Verzeihens äussert sich in einer prosozialen Veränderung von Affekt, Kognition und Verhalten gegenüber einem Täter.

Dies bedeutet, dass ich sowohl meine Emotionen und Gefühlen, die ich gegenüber dem Täter hege, sowie auch meine Gedanken und Bewertungen, bis hin zu meinem Verhalten über die Zeit positiver und prosozialer gestalte.


Konkret könnte das heissen, dass wenn ich dem Täter begegne, ich mich entspannt fühle (Affekt), keine negativen Gedanken aufkommen (Kognition) und ich ihn womöglich auch höflich begrüsse (Verhalten).

Verzeihen ist ausserdem

  • intentional («ich will verzeihen»),

  • bedingungslos («ich krieg keine Belohnung dafür»),

  • nicht notwendig («ich muss nicht verzeihen») und

  • geschieht nur in dem Bewusstsein, dass der Täter verantwortlich ist.

Umgekehrt muss es aber nicht zwingend sein, dass der Täter Einsicht, Bedauern oder Reue zeigt.


Diese sind sehr starke Merkmale, die beweisen, dass Verzeihen eines der "prosozialsten" Prozesse überhaupt ist und welche gleichzeitig erklären, warum es manchmal so schwierig ist, zu verzeihen.

Es gibt auch Menschen, die von ihrer Persönlichkeit her eher bereit sind zu verzeihen. Diese Menschen sind in der Regel verträglicher, emotional stabiler und zum Teil auch spirituell veranlagter als Menschen, die nicht dazu neigen, ihrem Übeltäter zu verzeihen.


Abgrenzungen


Theoretiker und Forscher stimmen im Allgemeinen mit der Behauptung überein, dass sich Verzeihen von folgenden Begriffen unterscheidet:

  • Begnadigen (was streng genommen ein Rechtsbegriff ist)

  • Entschuldigen (was impliziert, dass eine Übeltat aufgrund mildernder Umstände begangen wurde)

  • Vergessen (was impliziert, dass die Erinnerung an eine Übeltat nicht mehr bewusst ist)

  • Verleugnen (was impliziert, dass man nicht willens oder nicht in der Lage ist, die schädlichen Verletzungen, die man erlitten hat, wahrzunehmen).

  • Versöhnen (was die Wiederherstellung einer zerbrochenen Beziehung impliziert)


Wie geht Verzeihen?

Verzeihen ist ein Prozess, der nicht einfach so über Nacht geschieht. Während des Prozesses muss man

  1. erkennen, wie die erlittene Verletzung das Leben beeinträchtigt

  2. sich entscheiden, zu verzeihen

  3. empathisch gegenüber dem Täter werden und die Situation anders sehen, und

  4. die Vorzüge des Verzeihens erkennen, damit man sich befreien kann, also verzeihen kann.

Verzeihen überwindet Feindseligkeiten und Beschuldigungen und wird daher als beziehungsförderlich angesehen. Dies führt zu einer Verringerung des Krankheitsrisikos, zu mehr Lebenszufriedenheit und zu weniger depressiven Symptomen.

Der persönliche Nutzen beim Verzeihen ist gross:

  • Freiheit von emotionalen Schmerzen der Vergangenheit

  • Höhere Stimmungsstabilität

  • Verminderung der Schuldgefühle, die aus dem unbewussten Zorn entstanden sind

  • Abnahme von Ängsten und Sorgen

  • Verbesserte, liebevolle Beziehungen

Zusammenfassend kann man also sagen, dass Verzeihen wahrhaftig ein Geschenk für das körperliche und psychische Wohlbefinden ist!

 

Ist Verzeihen für Dich ein Konzept, das Du besser verstehen und anwenden möchtest? Kontaktiere mich und lass uns darüber sprechen: info@sa-life.com oder +41 76 497 75 52.


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